Reportage: Spaß und Bestätigung inklusiv(e)

Beim Deutschen Sportabzeichen können alle Menschen besondere Momente erleben. Sportler, Prüfer, Helfer. Bei den inklusiven Sporttagen gehören dazu auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Behinderungen – „jeder nach seinen Möglichkeiten“, sagt Peter Stahl. Auch dank engagierter Helfer wie er einer ist, sind inklusive Sporttage möglich. Er hat dafür eine Zusatzausbildung gemacht und kann von bewegenden Erlebnissen rund ums Sportabzeichen berichten.

Peter Stahl hat eine dicke Mappe unterm Arm. „DBS-Handbuch für Menschen mit Behinderung“ steht auf dem Umschlag. Und darüber: „Deutsches Sportabzeichen“. „Das ist ja alles nicht so einfach“, sagt Stahl, „die Ausbildung zum Prüfer für das Deutsche Sportabzeichen reicht da nicht“. Wer sie aber in der Tasche hat, erlebt – wie die Aktiven selbst – großartige, bewegende Momente.

Auch an diesem Samstag, einem Tag voller Tatendrang und purem Spaß am Sport. Egal wohin man blickt. Der 72-Jährige steht an diesem sonnigen Nachmittag in der Jahnkampfbahn im Hamburger Stadtpark. Rund um ihn herum tobt sportliches Leben. Gerade hat Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein die 3000-Meter-Läufer auf die Strecke geschickt. Auch sie wollen an diesem vierten „Sporttag inklusiv“ des Hamburger Sportbundes und des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes Hamburg ihr Sportabzeichen ablegen. Für alle Aktiven ist gesorgt, zahlreiche freiwillige Helfer messen Weiten, Höhen und Zeiten. Jeder kann nach seinen Fähigkeiten seine sportlichen Ziele anstreben und erreichen. Sind die Rahmenbedingungen abgesteckt, kann’s losgehen. Vorfreude und Spannung sind riesig.

So auch in der Gruppe vom Verein Phoenix Sport aus dem südöstlichen Hamburger Stadtteil Bergedorf. Sieben Sportler sind sie an diesem Sonnabend. 2011 wurde Phoenix gegründet. 100 Mitglieder treiben dort Sport, viele mit geistigen Beeinträchtigungen. Sie schwimmen, spielen Basketball und andere Ballspiele, es gibt eine Gruppe, die Psychomotorik schult, und es gibt eine Leichtathletikgruppe. „Im Mittelpunkt steht der Spaß an der Freude“, sagt Andrea Sonnenberg, „aber auch beim Sportabzeichen zu bestehen, seine Ziele zu erreichen, ist hoch motivierend. Und bringt Freude.“

Auch Pina Antoniaux ist dabei. Die 20-Jährige ist schon etwas aufgeregt. „Ich muss jetzt die 1500 Meter laufen“, sagt sie, „das ist immer ganz schön lang. Ich bin schon ganz gespannt, wie es wird.“ Wird schon – Andrea Sonnenberg, ihre Begleiterin und stellvertretende Vereinsvorsitzende beruhigt: „Du hast es letztes Jahr doch auch geschafft, erinnerst du dich?“ Na klar. Außerdem, Pina ist heute gut drauf: „Weitsprung und Ballwurf habe ich schon geschafft.“

Marcel, 33 Jahre macht regelmäßig beim Basketball und beim Schwimmen mit. Hier, beim Sportabzeichen, will er sich in den leichtathletischen Disziplinen beweisen. „7,20 Meter habe ich den Medizinball weit geworfen. Das war toll“, freut er sich. Maximalpunktzahl, klar. Verschiedene Disziplinen muss er schaffen, gleich kommt Weitsprung dran. „Da bin ich doch ganz gut, oder?“, fragt er Andrea Sonnenberg.

Peter Stahl hat in seiner Mappe genau drin stehen, was Marcel springen muss. „Es gibt zehn Behinderungsklassen“, erklärt er die Anforderungen beim Deutschen Sportabzeichen für Sportler mit Behinderungen. Vom Kleinwuchs bis zu fehlenden Gliedmaßen ist alles erfasst. Es muss ja schließlich gerecht zugehen, jeder soll und kann nach seinen Möglichkeiten teilnehmen und sich beweisen. „Um das richtig bewerten zu können, braucht man eben eine Zusatzausbildung, um die Prüfungen für das Deutsche Sportabzeichen für Menschen mit Behinderung abzunehmen.“, berichtet Stahl, „ich habe meine an der Sportschule in Hannover gemacht“. Er ist damit einer von einer Handvoll in Hamburg, die diese zusätzliche Qualifikation besitzen.

Der langjährige Angestellte bei der Deutschen Lufthansa hat sich gefühlt sein ganzes Leben im Sport engagiert. Er hat einen sehr populären Breitensport-Laufwettbewerb in Hamburg organisiert und nimmt regelmäßig an einem Stützpunkt das Sportabzeichen ab: „Gerade hat bei mir wieder ein 82-Jähriger bestanden. Das war fantastisch“, erzählt Stahl, für den das Deutsche Sportabzeichen stets eine große Rolle gespielt hat. Spricht er darüber, wirkt er wie beseelt. Freude und Bewunderung pur ist das.

Stahl unterstützt Sportler mit und ohne Behinderungen in jedem Alter, wo immer es ihm möglich ist. So fährt er auch in Schulen, um die Prüfungen abzunehmen, da es zu wenige Lehrer gibt, die diese Zusatzausbildung haben. Besonders beeindruckt hat ihn dabei vor zwei Jahren eine halbseitig gelähmte Schülerin. „Alle aus ihrer Klasse haben das Sportabzeichen gemacht, und sie wollte das auch unbedingt haben – sie brauchte allerdings einen speziellen Prüfer wie mich“, erzählt Stahl, „also bin ich an ihre Schule gefahren, um ihr das Sportabzeichen abzunehmen. Sie hat es geschafft und war total stolz. Alle aus der Klasse haben sie toll dabei unterstützt. Es war ein beeindruckendes Erlebnis, wie der Sport verbindet.“ Und wieder funkeln die Augen, während er erzählt.

Pina hat inzwischen ihren 1500-Meter-Lauf absolviert und bekommt einen Stempel auf ihre Laufkarte. Geschafft! Wie viele andere auch an diesem tollen Tag im Hamburger Stadtpark. Sportler mit und ohne Behinderung, die zum Teil auch neue Sportarten kennengelernt haben und neue Bekanntschaften schließen konnten. Pina freut sich über ihre Urkunde und blickt schon voraus: „Im Juli fahren wir alle zusammen nach Österreich. Darauf freue ich mich auch.“ Sport verbindet. Und das Sportabzeichen erst recht.

(Quelle: Andreas Hardt – Medienmannschaft)